„Sozialkompetenz hat an Bedeutung gewonnen. Im Homeoffice sind vor allem Kommunikation, Lernmanagement und Priorisierungskompetenz gefragt“, sagt Dr. Bernd Ahrendt, Professor an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management. Im Interview beschreibt er, wie Unternehmen Sozialkompetenz analysieren und fördern können und wie sie damit ihre Kultur positiv beeinflussen.
Frage eins: Herr Professor Ahrendt, „Erfolgsfaktor Sozialkompetenz“ lautet der Titel des Buchs, das Sie zusammen mit Ulrich Heuke, Wolfgang Neumann und Frank Tubbesing geschrieben haben. Was genau ist unter Sozialkompetenz zu verstehen? Ist diese in Zeiten, in denen ein Großteil der Beschäftigten im Homeoffice arbeitet, wichtiger geworden?
Bernd Ahrendt: Im Buch verwenden wir einen weitgefassten Begriff von Sozialkompetenz. Es geht sowohl um den Umgang mit anderen – das wäre Sozialkompetenz im engeren Sinn – als auch darum, die eigenen Stärken und Schwächen zu kennen und zu reflektieren. Die Sozialkompetenz in diesem erweiterten Verständnis hat deutlich an Bedeutung gewonnen. Das war schon vor der Pandemie der Fall und wurde durch Corona noch verstärkt. Auch im Homeoffice müssen Führungskräfte und Mitarbeitende so agieren, dass die Ziele des Unternehmens erfüllt werden. Dafür sind andere Führungsqualitäten als zuvor nötig und es wird sehr viel Sozialkompetenz – Kommunikation, Lernmanagement und Priorisierungskompetenz – benötigt. Das Miteinander im Team, das früher bei den meisten persönlich stattfand, wurde plötzlich virtualisiert. Ein schneller Austausch bei einem Kaffee war nicht mehr möglich. Informelle Gespräche fanden nicht mehr statt. Mit diesem Verlust mussten die Mitarbeitenden umgehen und gleichzeitig mussten sie sich mit ihrer Familie arrangieren, weil sie nun im privaten Kontext arbeiteten. In der Pandemie ist die psychische Belastung nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen stark angestiegen. Zur Sozialkompetenz gehört es auch, einen Weg für sich selbst zu finden, um nicht psychisch instabil zu werden.
Frage zwei: Ein weiteres sehr aktuelles Thema in den Unternehmen ist Agilität. Welche Bedeutung hat Sozialkompetenz in agilen Unternehmen?
Bernd Ahrendt: Will ein Unternehmen agil werden, bringt das für die Mitarbeitenden zahlreiche Veränderungen mit sich. Sie müssen viel stärker eigenverantwortlich arbeiten als bisher. Es gibt niemanden mehr, der ihnen sagt, was sie zu tun haben. Die Mitarbeiter müssen viel selbstständiger werden und mehr Verantwortung übernehmen. Sie haben auch mehr Freiräume. Das heißt: Sie müssen sich ganz anders aufstellen, um ihre Aufgaben erledigen zu können und bei Bedarf andere Personen hinzuziehen. Es gibt keine festgelegten Teams. Das Unternehmen muss seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Zeit geben, sich daran zu gewöhnen. Manche sind überfordert und haben Angst davor. Dass ein solcher Wandel nicht von heute auf morgen funktioniert, ist nachvollziehbar. Die Mitarbeitenden müssen ausprobieren und auch Fehler machen dürfen. Da sind wir bei der Sozialkompetenz: Wie gehe ich mit Fehlern um? Fehler machen zu dürfen, ist nicht für alle Menschen normal. Es gibt Perfektionisten, die Angst vor Fehlern haben. Es gilt, diesen Personen Mut zu machen. Vor allem Dinge auszuprobieren, damit Agilität funktioniert.
Frage drei: Kann Sozialkompetenz gemessen werden? Welche Messverfahren sind sinnvoll?
Bernd Ahrendt: Ja, Sozialkompetenz kann analysiert werden. Wichtig ist jedoch, dass die Messverfahren zur Kultur passen. Es gibt Unternehmen, die erfolgreich sind und ihren Weg gefunden haben, ohne ein bestimmtes Analyseverfahren, das es auf dem Markt gibt, einzusetzen. Diese Firmen haben sich gefragt, was ihnen wichtig ist und versucht, das in Kennzahlen abzubilden. Jedes Unternehmen sollte den Mut haben, sich mit den Sozialkompetenzen seiner Mitarbeitenden auseinanderzusetzen. Sozialkompetenz ist ein unglaublich großer Bereich, den jedes Unternehmen individuell für sich definieren muss. Insofern sind die Fragen „Wo stehe ich in Sachen Sozialkompetenz?“ und „Wo möchte ich hin?“ von großer Bedeutung.
Frage vier: In Ihrem Buch beschreiben Sie zahlreiche Beispiele aus Unternehmen. Welche Insights aus der Praxis haben Sie und Ihre Autorenkollegen gewonnen?
Bernd Ahrendt: Hierzu möchte ich zwei Beispiele nennen. Eines davon ist perbit, das seit über 15 Jahren DNLA einsetzt. Ein hervorragendes System, das auf Benchmarks basiert. Das heißt: Wenn ich bei einem Controller in Erfahrung bringen will, welche sozialen Kompetenzen er im beruflichen Kontext benötigt, wird er mit anderen Controllerinnen und Controllern aus dem Pool verglichen. perbit setzt das Verfahren ein, um seine Kommunikation und damit indirekt auch die Unternehmenskultur zu gestalten. Das Ziel ist es, den einzelnen Mitarbeitern Mut zu machen, selbstverantwortlich zu handeln und ihnen den Freiraum dafür zu geben. Ein anderes Beispiel ist die Heiligenfeld GmbH, bei der Werte im Fokus stehen. Die Klinikgruppe sagt: Die Werte der Mitarbeitenden müssen kompatibel sein zu unseren organisationalen Werten. Welche Werte sind uns wichtig? Welche Werte lehnen wir ab? Beide Beispiele machen deutlich, dass es wichtig ist, sich zunächst darüber klar zu werden, was die Ziele im Bereich Sozialkompetenz sind. Danach kann das Unternehmen recherchieren, ob es hierfür eine gute Lösung am Markt gibt oder ob es selbst etwas entwickeln kann. Sinnvoll ist auch zu schauen, wie andere Unternehmen mit einer ähnlichen Zielsetzung vorgehen. Dann stößt man vielleicht auf DNLA, das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung oder auf ein anderes Testverfahren. Anschließend gilt es abzuwägen, ob das Verfahren zum Unternehmen passt. Ist die Entscheidung gefallen und die Analyse durchgeführt, ist es wichtig, es nicht darauf beruhen zu lassen, sondern nach einer gewissen Zeit zu überprüfen, ob die gewünschten Veränderungen auch erreicht wurden.
Frage fünf: Ist es möglich, mit einer gezielten Veränderung der Sozialkompetenzen auch kulturelle Veränderungen im Unternehmen anzustoßen?
Bernd Ahrendt: Will ich die Organisation weiterbringen, steht und fällt das mit den sozialen Kompetenzen. Diese stellen die Wirbelsäule des Unternehmens dar. Wenn ich eine kräftige Wirbelsäule habe, also Menschen mit guten Sozialkompetenzen, dann kann ich Fach- und Methodenkompetenz gut daran andocken. Je stärker die Wirbelsäule ist, desto mehr kann ich tragen. Diese Stärkung führt jedes Unternehmen ganz individuell durch und jeder Weg hat seine Berechtigung. Dazu möchte ich ein weiteres Beispiel nennen: Die CBS Caritas Betriebsträgergesellschaft in Speyer, die auch DNLA einsetzt, analysiert nicht nur, wo Verbesserungsbedarf besteht, sondern auch, was bei den jeweiligen Personen gut läuft. Und das Unternehmen fragt jeden Einzelnen: Wo gibt es Bereiche, die du verändern möchtest? Danach haben die Personen Zeit, zusammen mit einem Coach daran zu arbeiten. Jeder Einzelne entscheidet selbst, wo er sich verändern möchte. Die Veränderung wird nicht vom Vorgesetzten vorgegeben, sondern jeder hat einen Freiraum, aber damit auch eine Verantwortung. Dadurch entsteht eine intrinsische Motivation und durch die Veränderung der Einstellung kommt es zur einer Verhaltensänderung. Wenn viele Personen diesen Prozess durchlaufen, verändert sich auch die Unternehmenskultur.
Dr. Bernd Ahrendt ist Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Personalmanagement, an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management. Darüber hinaus arbeitet er als Coach mit logotherapeutischem Schwerpunkt.
Das Buch „Erfolgsfaktor Sozialkompetenz“ der Autoren Ahrendt/Heuke/Naumann/Tubbesing enthält ein Best Practice der perbit Software GmbH, das von perbit Geschäftsführer Hendrik Kellermeyer erstellt wurde.
Sie möchten mehr zum Thema erfahren? Das Buch „Erfolgsfaktor Sozialkompetenz“ ist im Haufe-Shop und im Buchhandel unter ISBN: 978-3-648-14818-1 erhältlich.