Seit einem Jahr hetzen Führungskräfte und Büromitarbeiter von einem Online-Meeting zum anderen. Ob via Microsoft-Teams, Zoom, GoToMeeting oder einer anderen Technologie – die Belastung durch zu viele Videocalls ist inzwischen belegt und wurde mit dem Begriff „Zoom-Fatigue“ benannt. Ergreifen Sie rechtzeitig Maßnahmen, um ihre Beschäftigten vor Erschöpfung zu schützen.
Ende März wurde bekannt, dass die US-Bank Citigroup ihre Beschäftigten dazu aufruft, freitags keine internen Videokonferenzen abzuhalten. Damit will die Bank ihre Mitarbeiter vor einer Überlastung durch das immer stärkere Verschwimmen von Arbeit und Freizeit im Homeoffice schützen. Vorstandschefin Jane Fraser appellierte an die Banker zudem, Videocalls nach Möglichkeit auf die regulären Arbeitszeiten zu beschränken und ihre Urlaubstage zu nehmen. Darüber hinaus erklärte sie den 28. Mai zu einem „Reset-Tag“, der für alle Angestellten frei ist.
Wenn das Homeoffice Erschöpfungssymptome auslöst
Nicht nur im Finanzsektor. Auch in allen anderen Branchen, in denen die Arbeit im Homeoffice die Funktion des Zuhauses als privaten Rückzugsort stark geschmälert hat und in denen kurze Abstimmungen von Schreibtisch zu Schreibtisch von stundenlangen Videokonferenzen abgelöst wurden, hat die Überlastung der Beschäftigten deutlich zugenommen.
Diese hat mittlerweile sogar einen Namen: „Zoom-Fatigue“ nennt sich das Erschöpfungssyndrom, das sich immer häufiger abzeichnet, weil Videocalls kognitiv anstrengender sind als Gespräche von Face to Face und weil es zwischen Homeoffice, Kinderbetreuung und Haushalt kaum Ablenkung und andere Eindrücke gibt. Keine Fahrten ins Büro, auch wenn die früher vor allem als lästig empfunden wurden. Sowie kein Klatsch und Tratsch in der Kaffeeküche, kein Sport, Kinobesuch oder Abend im Restaurant. Für die meisten Beschäftigten gibt es seit Monaten schon keine gemeinsame Mittagspause mit den Kollegen in der Kantine, über die sie früher immer gelästert haben und deren fettige Pommes sie nun vermissen.
Die virtuelle Zusammenarbeit funktioniert, belastet aber auch
„Die Zusammenarbeit funktioniert auch digital“, hieß es vor einem Jahr, als im ersten Corona-Lockdown große Teile der Belegschaften in die Homeoffices geschickt wurden. An dieser Aussage ist auch weiterhin nicht zu zweifeln, das bestätigen zahlreiche Beispiele aus Unternehmen aller Größenklassen. Darüber hinaus zeigte sich damals, dass diejenigen Unternehmen, die digital gut aufgestellt waren, weitaus besser durch die Anfänge der Coronakrise kamen, als weitgehend analog organisierte Firmen.
Aber seit der ersten Euphorie der technisch nahezu reibungslos funktionierenden Online-Meetings ist viel Zeit ins Land gegangen und vieles wurde zur Routine. Heute reiht sich bei vielen Büro-Arbeitskräften Videocall an Videocall. Wo früher Raumwechsel für Bewegung, Pausen und Abwechslung sorgten, wird heute von einem Online-Meeting ins nächste geklickt. Allenfalls der Wechsel von Zoom auf Microsoft Teams, GoToMeeting oder Skype führt noch zu neuen Perspektiven auf dem sonst immer gleichen Bildschirm. Die Kommunikation, in der nonverbale Signale auf ein Minimum beschränkt sind sollen deutlich anstrengender als in persönlichen Treffen sein.
Mehr als 62 Prozent fühlen sich erschöpft
Kein Wunder, dass im Dezember 2020 über 62 Prozent der Befragten sagten, dass sie eine „Zoom-Fatigue“ verspüren – so das Ergebnis der Studie „Zoom-Fatigue Phase 2“ des Instituts für Beschäftigung und Employability an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen. Über die Hälfte der Befragten nimmt an drei bis zehn virtuellen Meetings pro Woche teil. Weitere 18 Prozent haben sogar zehn bis 20 Online-Meetings und acht Prozent über 20 Videokonferenzen pro Woche. Meist dauern diese Meetings 30 bis 90 Minuten. Und die Anzahl hat sich seit dem Sommer 2020 nochmals erhöht. Laut Studie sagen mehr als zwei Drittel der Arbeitnehmer, dass sich ihre Erschöpfung durch virtuelle Kommunikation seit dem Sommer 2020 erhöht hat.
Die häufigsten Anzeichen von „Zoom-Fatigue“ sind: Reduktion der Konzentration, Ungeduld, genervt sein, fehlende Balance, Kopf- und Rückenschmerzen. Auch erhöhte Reizbarkeit und Sehstörungen gehören dazu.
Die Studie von Professor Jutta Rump und Marc Brandt liefert auch Hinweise dafür, welche Maßnahmen helfen können, die Zoom-Müdigkeit zu reduzieren. An erster Stelle steht die Begrenzung der Meeting-Zeit. Gefolgt von einer Moderation der virtuellen Meetings, die auch humorvoll ist sowie Pausen von circa zehn Minuten zwischen den virtuellen Meetings.
Sieben Tipps für ressourcenschonende Online-Meetings
Unsere Erfahrung im eigenen Unternehmen hat ähnliches gezeigt. Wir stellten fest, dass Pausen, eine gut funktionierende technische Ausstattung, gezielter Raum für Small-Talk und ein gelegentlicher Wechsel zum Telefon verhindern können, dass die Belastung durch Online-Meetings zu groß wird.
Sieben Tipps für ressourcenschonende Online-Meetings:
- Sorgen Sie dafür, dass alle Beschäftigten mit einer gut funktionierenden Hard- und Software sowie mit einer stabilen Internetverbindung ausgestattet sind.
- Fragen Sie vor jedem geplanten Online-Meeting, ob ein Videocall mit dem ganzen Team nötig ist und ob das Thema nicht in einem Telefonat behandelt werden kann.
- Nennen Sie eine maximale Anzahl an Videocalls, die pro Woche durchgeführt werden sollten.
- Beschränken Sie die Dauer von Online-Meetings auf maximal 60 Minuten. Bei längeren Videocalls nimmt die Konzentration und Effektivität merklich ab.
- Planen Sie Pausen zwischen den einzelnen Videocalls ein. Zehn bis 15 Minuten genügen, um die Anspannung abzubauen und die Aufmerksamkeit auf das neue Thema lenken zu können.
- Beauftragen Sie einen Moderator. Eine Moderation, die humorvoll ist und jeden Teilnehmer mit einbezieht, wird laut Studie als wichtiger Faktor zur Entlastung angesehen.
- Ermöglichen Sie den informellen Austausch Ihrer Mitarbeiter. Zum Beispiel in einer virtuellen Kaffeeküche oder in wöchentlichen Apero-Terminen zur Einleitung des Feierabends.
Fazit: Nehmen Sie die Belastung durch Online-Meetings ernst und sorgen Sie für Ausgleich
Die Erschöpfung nach einem langen Arbeitstag mit vielen Videokonferenzen hat wahrscheinlich jeder Arbeitnehmer im Homeoffice schon verspürt. Damit die „Zoom-Fatigue“ nicht zum Dauerzustand wird, Konzentration und Leistung kontinuierlich sinken, müssen Arbeitgeber rechtzeitig gegensteuern. Besonders wichtig sind eine Beschränkung der Online-Meetings. Zudem Pausen, eine Moderation, gut funktionierende Technik und Möglichkeiten zum informellen Austausch – und vielleicht die Aussicht auf einen persönlichen Austausch. Sobald ein Treffen der Teams wieder unbedenklich möglich sein sollte, bietet es sich an, die im vergangenen Jahr ausgefallenen Sommerfeste, Weihnachtsfeiern oder Team-Events nachzuholen. Natürlich unter Berücksichtigung der notwendigen Abstands- und Hygienemaßnahmen.